"Freie Software" kommt mit der nicht widerrufbaren Erlaubnis für:
Grundvoraussetzung für die 2. und 4. Freiheit ist die Verfügbarkeit des Quelltextes in einer nützlichen Form. Stallman lag viel daran, dass diese Freiheiten auch in der Praxis ausgeübt werden konnten. Berichtet wird über ein Schlüsselerlebnis am MIT in den frühen 80er Jahren: Der Netzwerkdrucker klemmte gelegentlich und Stallman wollte das Drucksystem zum Wohle der Bürokollegen verbessern. Er fand jemanden mit dem Quelltext - und blitzte ab: keine Erlaubnis vom Rechteinhaber. In Folge dessen dachte Stallman darüber nach, wie die Kultur der Kooperation erhalten werden konnte, die in den Anfangsjahren der elektronischen Datenverarbeitung verbreitet war. Ohne Betriebssystem geht nichts, also rief Stallman im September 1983 sein Vorhaben aus, eines zu schreiben, kündigte beim MIT und begann im Frühjahr 1984 mit der Entwicklung. Der Name des Kindes: GNU für "GNU is not Unix", und es war die Geburtsstunde des ersten "bewussten" Projekts mit Freier Software [Grassmuck 2002, Seite 226].
Als juristischer Arm für GNU wurde 1985 die gemeinnützige Free Software Foundation (FSF) gegründet. Sie vertrieb beispielsweise auch den Texteditor Emacs auf Band. Die Schwesterorganisation Free Software Foundation Europe gibt es seit 2001. Bereits in den ersten GNU-Bulletins z.B. [FSF 1987] wird erklärt, dass es um Freiheit und nicht um Kostenlosigkeit geht. In späteren Ausgaben und ab 1998 auf der FSF-Webseite werden die Freiheiten explizit benannt und durchnummeriert.
Mehr über die Motivation und Geschichte hinter Freier Software und GNU lässt sich gut nachlesen in [Grassmuck 2002], [Gay 2002] oder auf www.gnu.org.
a) "Libre Software", soll verdeutlichen, dass es um Freiheit geht, nicht um Kostenlosigkeit. "Libre" kommt aus den romanischen Sprachen, in denen "Free Software" übersetzt wird durch z.B. "Logiciel Libre" (Französisch) oder "Software Libero" (Italienisch).
b) "Open Source", wurde 1998 von der Open Source Initiative (OSI) vorgeschlagen, um Freie Software in die Chefetagen zu bringen. Auf den Webseiten [OSI 2004] findet sich folgende Erklärung: "The Open Source Initiative is a marketing program for free software. It's a pitch for "free software" on solid pragmatic grounds rather than ideological tub-thumping. The winning substance has not changed, the losing attitude and symbolism have."
Die Idee war, sich auf die technischen Aspekte Freier Software zu konzentrieren und es so im Unternehmensumfeld leichter verkaufen zu können. OSI adaptierte die Erklärungen des Debian-Projekts für Freie Software (die "Debian Free Software Guidelines" in [SPI 1997]) als Open Source Definition. Diese erläutert wann eine Lizenz eine Software zur Freien Software macht. "Open Source" als Marke anzumelden scheiterte. OSI startete 2002 mit "OSI certified" einen neuen Versuch. Als Begriff hat auch "Open Source" mit Missverständnissen zu kämpfen, z.B., dass ein offen gelegter Quelltext noch lange nicht alle vier Freiheiten garantiert.
Der ehemalige Mitbegründer Bruce Perens erklärte 1999 das Vorhaben der OSI für gescheitert, weil über die Technik hinaus der zweite Vermittlungsschritt hin zur Freiheit nicht funktioniert habe. Er empfahl wieder von "Freier Software" zu sprechen.
3. "FOSS" bzw. "FLOSS" ist die Abkürzung für "Free, (Libre, ) and Open Source Software". Hierbei handelt es sich um eine Kombination der bereits bekannten Begriffe mit dem Ziel einer politischen Aussage.
Stellen wir uns eine konkrete Software S vor, dann kann sie entweder Freie Software sein oder das Gegenteil davon nämlich unfrei, auch proprietär genannt. S gehört also entweder zur Menge F (für Freie Software oder) zu P für proprietäre Software. Da sich die juristischen Umstände immer weiter entwickeln, gibt es Verschiebungen und ab und zu eine kleine Grauzone, wo sich die Expertengruppen bei der Einordnung nicht einig sind. International anerkannte Fachleute kommen dabei von den FSFs, der OSI und dem Debian-Projekt. Die bisher vorgestellten Begriffe bezeichnen ausschließlich Software welche klar in die Menge F fällt; sie sind unterschiedliche Aufkleber für die gleiche Dose.
Trotzdem macht die Verwendung von beispielsweise "Open Source" gegenüber "Freier Software" einen Unterschied: Aus der geschilderten Historie heraus beschränkt sich Open Source auf die Betrachtung der Technik und Entwicklungsmethode. Freie Software geht weit darüber hinaus und betrachtet kulturelle Effekte und die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das ist auch für Unternehmen interessant. Die Begriffe "FOSS" und "FLOSS" sind wahrscheinlich teilweise aus Unkenntnis aufgekommen; andererseits stellen sie einen halbherziger Versuch dar, die beiden Strömungen innerhalb der Freien Software-Bewegung politisch zu umarmen.
In der Praxis zeigt sich, dass die zu Beginn beschriebene Definition durch vier Freiheiten eine knappe und vollständige Erklärung darstellt. Sie ist über das Urheberrecht hinaus verständlich. Den Begriff "Freie Software" vorzuziehen folgt der guten wissenschaftlichen Tradition, sich an den Erstautoren zu orientieren.
Besonders bei der Weitergabe einer Software oder abgeleiteten Werken greifen die Bedingungen. Da es sehr viele Freie Software-Lizenzen gibt, lohnt sich eine Kategorisierung. Der Autor dieses Artikels schlägt vier Kategorien vor, welche sich über die Schutzwirkung der Freiheit ergeben. Abbildung 1 stellt die vier Kategorien miteinander ins Verhältnis.
Es muss erwähnt werden, dass es neben der Lizenz auch andere juristische Ebenen gibt, welche die praktische Ausübung der Freiheiten behindern können. Eine Bewertung ob eine Software frei ist oder nicht, muss auch danach erfolgen, ob ein Nutzer die Freiheiten wirklich ausführen kann. Beispielsweise können Patente oder Exportbeschränkungen hier hineinspielen.Die GNU General Public License (GNU GPL) gilt als Meisterstück der FSF. Stallman entwickelte zusammen mit dem Rechtsprofessor Eben Moglen eine Lizenz, welche das Entziehen der Freiheit verbietet und dabei pragmatisch bleibt. Im Jahre 1989 mit Version 1 und zwei Jahre später in Version 2 ist die GNU GPL die mit Abstand am weitesten verbreitete Freie Software-Lizenz [Reiter 2001b]. { Korrektur 10.2.2006: Die GPL und GPLv2 wurden von Stallman entwickelt. Rat in Rechtsdingen gab Jerry Cohen. Im Jahre 1991 arbeiteten Moglen und FSF noch nicht zusammen. [persönliche Email Stallman, Februar 2006 ] } Die Schutzwirkung wird dadurch entfaltet, dass der Lizenznehmer bei Weitergabe einer veränderten Software, diese wieder mit Quelltext unter der GNU GPL zur Verfügung stellen muss. Wichtig ist: Das gilt nur bei Weitergabe an Dritte, und somit dürfen eigene Konfigurationen privat bleiben.
Die GNU Lesser General Public License (GNU LGPL) schützt die Freiheit nur schwach, weil sie erlaubt die Software als Baustein für proprietäre Software zu verwenden. Der Baustein selbst bleibt frei, das Gebäude nicht unbedingt. Ein Beispiel dafür wäre das dynamische Linken einer Software gegen die GNU C-Bibliothek. Bei Weitergabe muss nur der Quelltext der C-Bibliothek frei gegeben werden und der für das gelinkte Programm darf unfrei bleiben.
Freie Software Lizenzen mit Schutz wie GNU GPL und LGPL werden auch "Copyleft" genannt, da hier das amerikanische Copyright dazu verwendet wird, um erneuten Entzug der Rechte zu verbieten.
X11 oder ähnliche Lizenzen gewähren keinen Schutz. Hier kann eine Weitergabe ohne Quelltext und Freiheiten erfolgen und die Software kann als Grundstein proprietärer Software verwendet werden.
Steht die Wahl einer Lizenz an, sollte aus GNU GPL, LGPL oder X11-Lizenz gewählt werden. Diese Lizenzen sind bestens verstanden und zur GNU GPL "aufwärts" kompatibel. Das heisst, dass eine Kombination von Softwareteilen mit unterschiedlichen Lizenzen möglich ist. Das Ergebnis fällt dann unter den stärkeren Schutz.
Eine Sammelkategorie bilden die unausgeglichenen und zur GNU GPL inkompatiblen Lizenzen. Ein Beispiel dafür ist die Netscape Public License. Hier fordert das Unternehmen das Recht die Software auch unter der proprietären Lizenz herausgeben zu dürfen. Alle externen Mitentwickler erhalten dieses Recht nicht, müssen es aber abgeben wenn ihr Quelltext integriert werden soll. Wenn eine Lizenz so unausgeglichen ist, dann ist sie auch nicht zur GNU GPL kompatibel. Es gibt jedoch Lizenzen welche nur auf Grund von juristischen Feinheiten nicht kompatibel sind.
Abbildung 1 zeigt auch, dass kostenloses Herunterladen kein gutes Kriterium darstellt: Software jeder Klasse wird gelegentlich umsonst im Internet angeboten. Es gibt proprietäre Software, welche umsonst ist und Freie Software, deren Kopie (nicht deren Lizenz selbst) Geld kostet.
Das erste Kriterium, die Freiheit, ist oben bereits umfassend dargestellt worden: Software kann frei oder unfrei sein.
Software kann alles von kommerziell bis nicht-kommerziell sein. Kommerziell wird bei Software verbunden mit:
Freie Software neigt zur Offenheit, da die Freiheiten jedem Nutzer immer eine Öffnung der Entwicklung erlauben. Insbesondere ohne weitere Anfrage beim Autor. Das ist besonders wichtig, wenn der Autor nicht mehr greifbar ist. Trotzdem gibt es geschlossen entwickelte Freie Software, bei der nur am Ende eine Version an einzelne Auftraggeber geht. Während sich GNU vor allem durch den Gesamtplan und die Lizenz auszeichnet, wird der Erfolg von Linux besonders dem offenen Entwicklungsprozess zugeschrieben. In der Computerfrühzeit tauschten Wissenschaftler Programme offen aus. Anfang der 1990er wurden Computer und Datenfernübertragung breit verfügbar. Seitdem hat fast jeder die technischen Möglichkeiten an Datenaustausch und Entwicklung teilzunehmen. Freie Software sorgte für faire Spielregeln und: Es führte zu stabiler Software.
Proprietäre Software kann nur begrenzt offen entwickelt werden. Trotzdem versuchen manche proprietäre Hersteller mittlerweile die Vorteile und das Image einer offenen Entwicklung zu nutzen. Beispiele dafür sind Microsofts "Shared Source" Programm, die unfreien Lizenen von Sun ("Sun Community Source License") und ATT ("AT&T Public License").
Tatsächlich beteiligen sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen aus unterschiedlicher Motivation an der Entwicklung Freier Software:
Es steht zu vermuten, dass viele bezahlte Freie Software-Entwickler in einem solchen Umfeld zu finden sind und deshalb nicht als Software-Entwickler in der Statistik auftauchen. Sie "betreuen ja nur" einen Teil der Infrastruktur des Unternehmens.
Abbildung 2 zeigt den abstrahierten Verlauf einer Software-Migration im Vergleich von proprietärer zu Freier Software. In der Erstbeschaffung ist Freie Software meist günstiger, danach kann allerdings eine Phase folgen, in der Freie Software durch Schulungs- und Anpassungsbedarf kostenintensiver ist. Mittel- bis langfristig lassen sich die Gesamtbetriebskosten allerdings deutlich senken. Belege dafür werden werden von [Wheeler 2004, Abschnitt TCO] zusammengetragen.
Neben den von [Wheeler 2004] gesammelten Studien gibt es mittlerweile auf deutscher ([BMI 2003]) und europäischer Ebene ([IDA 2003]) Migrationsleitfäden für Behörden, in denen wirtschaftliche und praktische Fragen der Umstellung auf Freie Software beleuchtet werden.
Die Entwicklung guter Software hängt hauptsächlich von Kommunikation ab. Wenn Entwickler, Unternehmer, Vertriebler und Nutzer jeweils wüssten was der andere wirklich braucht oder was möglich ist, dann wäre ein Hauptproblem der Softwareentwicklung gelöst. Freie Software fördert eine pragmatische Querkommunikation zwischen den Beteiligten. So kann der erfahrende Nutzer u.U. direkt in einem Forum mit der Entwicklerin Kontakt aufnehmen, ohne einen Umweg über die Marketingabteilung machen zu müssen.
Patente sind ein zeitlich begrenztes Monopol zur Förderung der Veröffentlichung und Verbreitung von wirtschaftlich interessanten Ideen. Das mag in klassischen Industriebereichen funktioniert haben, aber bei Software macht es Probleme. (Fußnote: Dies ist kein Beitrag zur Debatte, ob Software-Entwicklung überhaupt eine industrielle Tätigkeit darstellen kann. ) Programmentwicklung ist genügend anders als die Konstruktion einer Werkzeugmaschine.
Die Frage kommt auf: Wie läuft der innovative Prozess bei Software? In kleineren oder größeren Schritten? Brauchen wir große Schritte? Wenn ja, werden diese durch den Schutz durch Patente gefördert? Alle bekannten Studien sagen: Software-Patente schaden der Innovation! Es wird weniger in Forschung und Entwicklung investiert, und Unternehmen begeben sich bei Entwicklungen auf ein Patentminenfeld. In den USA, wo Patente auf Software seit den 1980ern möglich sind, zieht sogar die konservative Federal Trade Commission eine kritische Bilanz [FTC 2003].
Die Existenz Freier Software scheint zu zeigen, dass eine Veröffentlichung von Ideen ohne Patente stattfinden kann. Freie Software ist offensichtlich auch anders innovativ als proprietäre, aber das auszuführen würde den Rahmen des Artikels sprengen.
In der Debatte finden die folgenden beiden Punkte zur Zeit zu wenig Beachtung: 1. Proprietäre Software (mit Wirtschaftsbezug) ist fast genauso stark betroffen wie Freie Software. Der Widerstand gegen Software-Patente wird anscheinend mit Freier Software assoziiert, um die Gegner zu diskreditieren.
2. Auch große Software-Unternehmen haben durch Patente auf Software höhere Kosten. Patente werden früher oder später in die Hände von reinen Rechteverwertern fallen; eine Querlizenzsierung als Friedenspfeife ist nicht deren Ziel. In Folge wird die Patentabteilung zur Kostenstelle und bringt eben keinen Gewinn.
Was wäre, wenn alle Rechner, mit denen Sie nächste Woche typischerweise zu tun hätten, nicht funktionierten? Der Zwischenfall würde Ihnen bewußt machen, wie abhängig Sie von diesem Werkzeug sind. Tatsächlich werden Computer immer mehr zur Kulturtechnik und über sie bestimmt sich, wer Zugang zum Wissen unserer Gesellschaft hat. Was gezeigt, geschrieben oder gehört werden kann, wird in den Regeln der Programme festgelegt. Wer keine Grundkenntnisse im Programmieren besitzt, ist wie ein Analphabet auf die Fähigkeiten anderer Personen angewiesen, wenn er in Zukunft gleichberechtigt mitbestimmen möchte. Dem Computerexperten kommt demnach eine Verantwortung zu, die Entwicklung dieser Technologie kritisch zu begleiten und die Anwendung zu lehren. Die höhere Vielfalt Freier Software bringt deshalb nicht nur Vorteile für Unternehmen, sondern auch für Ausbildung, Wissenschaft und Chancengleichheit. Nur Freie Software garantiert beispielsweise, dass (1) Wissenschaftler die Ergebnisse anderer Gruppen komplett nachrechnen können, (2) der gute Aufsatz über Jahrzehnte druckbar ist weil das Format lesbar bleibt, (3) Schüler daheim mit den gleichen Anwendungen üben können, wie im Unterricht und (4) ihren Eltern mit einer weiteren Kopie der Software gleich einen Schritt in die Zukunft der Wissensgesellschaft zeigen können.