[Mapserver-DE] Begriffsverwirrung?

Arnulf Christl arnulf.christl at ccgis.de
Die Apr 5 19:48:22 CEST 2005


Hallo,
etwas verspätet hier zu Jörgs Ausführungen ein paar ergänzende 
Verwirrungen. Neben dem ausgezeichneten und unvoreingenommenen Vortrag 
von Herrn Paukner-Rutzika (Geo-IT GmbH), dem Beitrag von Rechtsanwalt 
Jäger (IFROSS) und den Gedanken von Herr Prof. Greve (Geogr. Institute, 
Uni Bonn) konnten die meisten Beträge leider kein Licht in die 
Begriffsverwirrung bringen. Zum Standpunkt der proprietären Hersteller 
siehe unten.

(48) FG Kataster- und Vermessung LKNVP wrote:
> Hallo Liste,
> 
> die "zfv" 2/2005 (Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und
> Landmanagement) bringt eine "Trendanalyse zur INTERGEO 2004 in
> Stuttgart", geschrieben vom "Runden Tisch GIS e.V.". Unter dem Stichwort
> "Open Source Software" heißt es u.a.:
> "GIS-Software nach OSD (Open Source Definition) spielt bisher eine noch
> untergeordnete Rolle, wobei unterschieden werden muss zwischen
> kompletten Open Source GIS wie GRASS und Open Source Web Services zur
> Beauskunftung von Geodaten wie UMN-Mapserver oder Deegree. 

Das ist richtig. In den letzten Jahren konnte eine deutliche Entwicklung 
weg vom monolithischen GIS, hin zu Architekturen mit dienstbasierten 
Komponenten festgestellt werden. Das gilt allerdings ganz unabhängig 
davon, ob es sich um Open Source oder proprietärer Software handelt.
Deshalb stimmt irgendwie auch der nächste Satz:

> Ernsthafte
> Konkurrenz für kommerzielle GIS-Anbieter stellen die Open Source GIS
> bisher nicht dar. 

Meines Wissens nach gibt es nur ein einziges Open Source GIS, nämlich 
GRASS. Das ist die Ursuppe und daraus sind sowieso alle anderen GIS 
hervorgegangen.
Problematisch ist bei der Formulierung lediglich, dass es den Anschein 
macht als würden nur nicht-kommerzielle Anbieter Open Source nutzen?! 
IBM, Oracle, HP, Novell, Sun, AutoCAD, ESRI, Intergraph, etc. pp. alle 
durchaus kommerziell unterwegs setzen aber ebenfalls Open Source ein und 
sei es "nur" ein Apache httpd, Tomcat oder schlicht ein GNU/Linux.
:-)
Ach so, und natürlich versuchen wir keine ernsthafte, sondern 
ausgeprochen lustige Konkurrenten zu sein.

> Bei den Web Services fällt die Frage nach der
> Konkurrenz weniger eindeutig aus. 

Es ist und bleibt völlig unklar wieviel Konkurrenz durch Open Source 
WebGIS Architekturen wirklich entsteht. Wie will man das denn auch 
zählen? Umsatzzahlen durch Lizenzerlöse machen wohl nicht besonders viel 
Sinn.
Eine Großinstallation, die täglich mehrere 100.000 Karten erzeugt mit 
einer Einzelplatz Desktop-Lizenz gleichsetzen macht auch nciht viel Sinn.
Kein Mensch muss darüber Rechenschaft ablegen welche Open Source 
Software wann, wie oft und zu welchem Zweck zum Einsatz kommt. Das 
Regulativ und die Kontrolle der Nutzungslizenzvergabe fallen weg. Es 
besteht kein Grund für den Hersteller einer Open Source Software seinen 
Kunden nachzuspionieren wie viele Lizenzen auf welcher Hardware zu 
welchem Zweck eingesetzt werden. Je komplexer eine GDI ist, um so 
wahrscheinlicher ist ausserdem, dass sie eh schon von Freier Software 
dursetzt ist.
Eine interessante Anmerkung von Herrn Fitzke (lat/lon, deegree) war, 
dass die Konkurrenz zwischen den Open Source Gruppierungen selbst 
genauso wichtig ist wie die mit den proprietären Herstellern und dazu 
führt, dass wirklich konkurrenzfähige Software entsteht.

> Die Anbieter von Web Services auf
> Basis von Open Source Software tragen viel zur Begriffsverwirrung
> zwischen "OpenGIS" und "Open Source" bei, 

Das hört sich so an, als sei es eine Kritik an Open Source Anbietern. 
Das ist aber gar nicht so gemeint. Man könnte auch umgekehrt 
argumentieren und behaupten, dass Verterter der proprietären Hersteller 
Open Source und OpenGIS nicht auseinanderhalten können (weil sie es oft 
tatsächlich nicht besser wissen, was sie auch immer wieder gerne 
eindrucksvoll unter Beweis stellen) und deswegen zur Begriffsverwirrung 
beitragen. Macht die Behauptung aber auch nicht aussagekräftiger.

> da sie im Gegensatz zum Gros
> der klassischen GIS-Hersteller die OGC-Konformität ihrer Produkte viel
> stärker als Werbeargument verwenden."

Auch hier wird wieder munter vermischt. Was denn nun? "klassische GIS 
Hersteller" oder "Anbieter von Web Services auf Basis von Open Source 
Software"? IBM ist einer der großen Anbieter von Web Services auf Basis 
von Open Source. IBM ist kein klassischer GIS Hersteller - ist IBM 
deswegen ein Open Source Anbieter??? Worte sind geduldig.
Apropos "Gros der klassischen GIS-Hersteller". Wieviele Hersteller 
braucht es für ein "Gros" eigentlich? Wie viele deutsche GIS Hersteller 
gibt es eigentlich noch?
:-)

> Also pfui, Open Source Gemeinde!
> Wer hat denn für dieses krude Argument gesorgt?

Die allgemeine Verwirrung zu dem Begrif "Open Source" ist weiterhin 
groß, man muss da niemand besonders hervorheben. Wenn ein Hersteller wie 
SmallWorld sich dazu hinreißen lässt zu behaupten sie würden schon seit 
20 Jahren "Open Source" machen, weil man ja in den Quellcode schauen 
kann, dann kann man schon ein wenig durcheinander kommen. Die Aussage 
ist ja auch nicht ganz verkehrt, weil man den Quellcode lesen kann (wir 
haben kein SmallWorld, haben uns das aber sagen lassen). Man darf aber 
nichts daran ändern, nichts weitergeben und nichts kostenfrei nutzen. 
Damit ist es ganz deutlich keine Open Source Software nach Definition 
der OSI.
http://www.opensource.org/docs/definition.php

Deswegen sprechen wir auch lieber von "Freie Software" - mit großem "F", 
damit es auch jeder sieht und völlig klar ist, dass wir total 
durchgeknallt sind und von Luft und Liebe leben:
http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html

Wir hatten im Vorlauf zu dieser Veranstaltung dem Runden Tisch GIS e.V. 
bereits auf die potentielle Begriffsverwirrung hingewiesen, uns wurde 
aber mitgeteilt, dass "Open Source" einen höheren Wiedererkennungswert 
habe. Das mag sein, hat aber deutlich nicht geholfen die 
Begrifflichkeiten zu sortieren.

> Da gibts noch einen Nachsatz: "Unser Dank gilt ... dabei insbesondere
> den Firmen C-Plan, ESRI, Harzer, Intergraph, M.O.S.S. und PLEdoc, die
> den Besuch der Messe ermöglichten."

Das finde ich schon OK, die Hersteller haben immerhin Zeit und Aufwand 
investiert, um sich offenen Fragen zur Open Source Szene zu stellen. 
Deswegen möchte ich auch kurz noch mal einige der vorgebrachten 
Standpunkte ausführen.

Autodesk:
Open Source ist für uns kein wirklich wichtiges Thema, weil es keine CAD 
Software auf Basis Open Source gibt, die uns Konkurrenz macht. Der GIS 
Bereich ist ausserdem nur ein Nischengeschäft von Autodesk.
-> Das glaube ich gerne, AutoCAD ist Marktführer, hat wenig Konkurrenz 
und ist kein GIS.

ESRI:
Wir betrachten unsere Software als unser Kapital und das lassen wir uns 
nicht nehmen, sondern wir räumen nur eingeschränkte Nutzungsrechte ein. 
Open Source ist gut und innovativ, wir werden uns mit den Impulsen 
dieser Szene auseinandersetzen und suchen die Kommunikation.
-> Naja. Ich weiss von drei Firmen, denen dieses Jahr bereits die 
Partnerschaft gekündigt wurde, weil sie "diesen UMN Dingsda" einsetzen! 
Aber ESRI ist auch Marktführer.

Intergraph:
Sucht den Dialog mit der Open Source Szene, verwehrt sich aber gegen 
eine Vermischung von Open Source und OpenGIS (weil Intergraph auch ein 
wenig behauptet OpenGIS erfunden zu haben). Open Source ist keine 
Konkurrenz, weil das eh nur von Leuten eingesetzt wird, die kein Geld 
haben und deshalb leider mit schlechter Software arbeiten müssen.
-> Das tut schon ein wenig weh. Aber der Marktführer Intergraph war 
immer schon gut im Austeilen. :-)

c-plan
Die machten wenigstens den Eindruck, als hätten sie sich mit dem Thema 
auseinandergesetzt. Die grundsätzliche Einstellung war, dass man sehen 
müsse wie sich das entwickelt. Interessant war auch, dass Open Source 
nicht rundweg abgelehnt wurde, sondern zumindest als eine Alternative 
für kostengünstige Systeme betrachtet wird - und Herrn Frank glaube ich 
das auch.
Beim Marketing und werben und trommeln sieht es dann schon wieder anders 
aus: Die Worte "Open", "GIS" und "Systems" kommen im Intro auf der 
Homepage sehr gut zur Geltung. c-plan ist auch "Führend in offenen
Geo-Informationssystemen (GIS)". Ist doch egal wie genau, Hauptsache 
offener Marktführer! Was ist c-plan jetzt genau? Ein klassischer 
Anbieter von offenen GI(S) Systemen?

Schlußendlich konnten die "klassischen" proprietären GIS Hersteller 
leider nichts wirklich Neues vorbringen. Und obendrein haben vergessen 
Open Source für die Softwarepatentmisere in Europa verantwortlich zu 
machen.

> Gruß
> Markus
> 
> 
> Markus Hentschel
> SB GIS

Noch einmal zusammenfassend:
1. Wer OpenGIS machen will *MUSS* Open Source machen, sonst geht das 
doch gar nicht.
2. Alle Open Source Anbieter machen immer OpenGIS, warum wissen die auch 
nicht, hört sich aber gut an.
3. Open Source setzen nur Leute ein, die kein Geld für richtige Software 
haben.
4. Open Source ist keine Bedrohung, weil damit auch gar kein Geld 
verdient wird.
4.a Open Source *GIS* ist keine Bedrohung, weil es das gar nicht gibt.
4.b Proprietäre Software ist auch keine Bedrohung, weil man dafür eine 
Nutzungslizenz kaufen muss.
5. OpenGIS dagegen ist gefährlich, weil dadurch alle Daten auf der 
Festplatte sofort im Internet heruntergeladen werden können.
6. Freie Software sind wildgewordene Algorithmen, die sich selbständig 
im Internet verbreiten und proprietären Softwarecode auffressen.
7. Free Software gehört eigentlich verboten.
8. Softwarepatente sind gut für KMU, weil das Patentamt die 
Investitionen zurückzahlt sobald es einen Rechtsstreit gibt.

Besten Gruß,
Arnulf Christl.

PS:
Falls es jemand geschafft haben sollte bis hier zu lesen würde ich mich 
über ein Kommentar freuen, gerne auch Offlist. Lohnt es sich noch eine 
Sammlung von Open Source und Free Software Beschreibungen zu erstellen? 
Eine Liste mit Links wo es schon steht?

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    Mapbender User Conference - April 29. '05
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